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Stellen Sie sich vor, eine Produktionsanlage „weiß" im Voraus, welche Einstellungen die besten Ergebnisse liefern. Ganz ohne mühsames Experimentieren, Stillstände oder unnötigen Energieverbrauch. Genau das ermöglichen digitale Zwillinge (Digital Twins). 

Sie sind virtuelle Abbilder realer Anlagen, Maschinen oder ganzer Fertigungsprozesse, die Parameter wie Temperatur oder Materialmischung in Echtzeit erfassen, simulieren und optimieren können.

Digital Twins in der Industrie 4.0

In der Industrie 4.0 gewinnen digitale Zwillinge in den folgenden Bereichen zunehmend an Bedeutung:

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1. Prozessoptimierung: Auf Basis einer Vielzahl von Produktionsdaten decken digitale Zwillinge frühzeitig Abweichungen auf. Dadurch ermöglichen sie ein rechtzeitiges Gegensteuern und eine kontinuierliche Verbesserung. 

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2. Qualitätssicherung: Digitale Zwillinge machen Zusammenhänge zwischen Produktionsbedingungen und Produktqualität sichtbar und erlauben präzise Vorhersagen und folglich Steuerung. 

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3. Predictive Maintenance: Die digitalen Abbilder zeigen den Zustand einer Maschine in Echtzeit und können frühzeitig erkennen, wann Wartung nötig ist – bevor Störungen auftreten. Dadurch können Ausfälle und aufwendige Reparaturen vermieden werden. 

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4. Nachhaltigkeit: Durch den digitalen Zwilling lassen sich Energieverbrauch und Ressourceneinsatz optimieren bzw. reduzieren.

Auf dem Weg zur digitalen Transformation

Für wienerberger sind digitale Zwillinge weit mehr als ein Trend der Industrie 4.0. Sie sind ein strategischer Hebel für die digitale Transformation im Unternehmen. Seit mehreren Jahren treiben wir die Entwicklung digitaler Zwillinge in unseren Werken voran.

Die virtuellen Modelle ebnen den Weg zu einer effizienteren, nachhaltigeren und störungsfreieren Produktion, da durch virtuelle Experimente Aussagen für die Praxis getroffen werden können. Gleichzeitig profitieren diese Datenmodelle von der Validierung durch Experimente in der realen Welt, um die Prognosegenauigkeit zu verbessern. Produktionsoptimierungen lassen sich basierend auf Erfahrungsdaten, die mathematisch modelliert wurden, so zunächst in virtuellen Experimenten erproben, bevor sie in der Realität – mit höchster Wahrscheinlichkeit  – erfolgreich umgesetzt werden.

Höhere Effizienz, weniger Störungen, mehr Information

Der konkrete Mehrwert lässt sich auf unterschiedlichen Ebenen darstellen:

  • Digitale Zwillinge können Abweichungen vom Soll-Zustand, unerwartete Stillstände, übermäßigen Ausschuss, doppelte Arbeitsschritte oder einen erhöhten Energieverbrauch sofort aufdecken.
  • Präzise und zeitnahe Daten schaffen die Grundlage für gezielte Eingriffe: Fehler lassen sich schnell beheben, Abläufe kontinuierlich verbessern. So kann wienerberger nicht nur Tempo und Effizienz in der Fertigung steigern, sondern gleichzeitig unseren Materialverbrauch und die Kosten senken.
  • Durch den „digitalen Laufpass“ erhält jedes Produkt eine vollständige Dokumentation seines Werdegangs – von Anfang bis Ende des Produktionsprozesses.
Roboterarm und digitaler Zwilling © Pipelife Netherlands

Erfolgreicher Einsatz bei Pipelife

Ein Forschungsprojekt im niederländischen Werk der Lösungsmarke Pipelife zeigt eindrucksvoll, welches Potenzial im digitalen Zwilling steckt: Am Standort Enkhuizen wurde ein digitaler Zwilling im komplexen Extrusionsprozess für biaxial orientierte PVC-Trinkwasserrohre eingesetzt. Bei diesem Verfahren wird das Material unter hohem Druck und Temperatur gleichzeitig in Längs- und Querrichtung gestreckt. Das Ergebnis sind Rohre, die trotz dünnerer Wände extrem druck- und stoßfest sind. 

© Pipelife
© Pipelife
© Pipelife
© Pipelife
© Pipelife

Transparenz, Vorhersehbarkeit, Steuerung

„Dieser Prozess ist sehr komplex und wird von vielen Faktoren und Abhängigkeiten beeinflusst. Das führt zu schwierigen Anlaufphasen, Rohrverformungen, hohen Ausschussquoten und Ausfallzeiten. Es gibt ein großes Optimierungspotenzial“, schildert Projektleiter Jos Oud. 

Genau hier erwies sich der digitale Zwilling als Gamechanger: Auf einem Laptop installiert und mit einem Human-in-the-Loop-Ansatz ergänzt, machte er bislang undurchsichtige Zusammenhänge und Prozesse erstmals transparent, vorhersehbar und steuerbar.

„Der digitale Zwilling hat uns konkretes Optimierungspotenzial aufgezeigt. Auf Basis seiner Vorschläge haben wir die Werkseinstellungen angepasst und Prozesse optimiert“, führt Oud aus.

„Der digitale Zwilling hat uns konkretes Optimierungspotenzial aufgezeigt. Auf Basis seiner Vorschläge haben wir die Werkseinstellungen angepasst und Prozesse optimiert.“

Jos Oud

Projektleiter

Neue Erkenntnisse über die Prozesse

So lieferte der digitale Zwilling wichtige Erkenntnisse über den Einfluss von

  • Kühlwassertemperatur,
  • Steuerungskonfigurationen wie z. B. Dosiereinheiten,
  • Materialzufuhr wie z. B. Mischverhältnis,
  • Rohrleitungstemperatur,
  • Umgebungsbedingungen wie z. B. offene Türen oder Umgebungstemperatur.

„Der digitale Zwilling hat uns geholfen, die Produktion und die Produktqualität genau vorherzusagen“, sagt Oud. Dieses Wissen eröffnet neue Wege, um effizienter und nachhaltiger zu produzieren.

Praxisnahe Beispiele in der Produktion

Der digitale Zwilling sagte zum Beispiel die Temperatur in der Rohrleitung und die Auswirkung selbst minimaler Änderungen der Sollwerte voraus. Durch entsprechende Anpassungen konnten nicht nur Effizienzsteigerungen in der Produktion, sondern auch Qualitätsverbesserungen bei den Rohren erzielt werden.  

Mit Predictive Analytics, der Mustererkennung und daraus abgeleiteter Prognosen, zeigte der Digital Twin Abweichungen auf, bevor sie diese zu einem Qualitätsverlust oder Maschinenschaden führten. Die Operational Teams erhielten rechtzeitig Warnungen und Handlungsempfehlungen und konnten Probleme verhindern, bevor sie entstehen.

Darüber hinaus konnten durch die digitale Kopie des Prozesses Simulationen für unterschiedliche Szenarien durchgeführt werden: Was passiert, wenn die Kühlgeschwindigkeit steigt? Welche Auswirkungen hat eine andere Materialmischung? 

Großes Potenzial für Produktionsoptimierung

Das Forschungsprojekt im Pipelife-Werk macht greifbar, wie der Einsatz eines digitalen Zwillings den Fertigungsprozess revolutionieren kann:

  • Präzise Vorhersagen für Prozessverhalten und Produktqualität werden möglich.
  • Parameter wie Temperatur, Kühlung und Materialeinsatz können automatisch optimiert werden.
  • Die Prozessstabilisierung führt zur Steigerung der Effizienz.
  • Abfälle können um etwa 20 % pro Jahr reduziert werden. Dies wird hauptsächlich durch eine Verringerung der Maßabweichungen um 80 % erreicht.  
  • Durch die Vermeidung von Ovalität oder anderen Maßfehlern bei Durchmesser und Wandstärke während der Produktion kann der Anteil an Produkten, die unseren Qualitätsansprüchen genügen, weiter erhöht werden.
  • Abweichungen im Produktionsprozess werden frühzeitig erkannt, wodurch ein rasches Eingreifen möglich wird. Dadurch können u.a. Schäden an der Anlage, Stillstände und Arbeitsaufwand für Reparaturen präventiv vermieden werden.
  • Ressourcen- und Energieeinsatz können durch gezielte Steuerung optimiert und damit Kosten eingespart werden. 

All diese Aspekte sind keine Visionen, sondern tatsächlich realisierbare Chancen, die auf einer Vielzahl von Daten gründen.

© Pipelife

Basis für Veränderungen  

Im niederländischen Pipelife-Werk hat der digitale Zwilling zu einem besseren, datenbasierten Verständnis des Extrusionsprozesses geführt. „Wir sehen im Einsatz von digitalen Zwillingen in der Produktion ein sehr großes Potenzial. Wir können sie nutzen, um Einstellungsänderungen zu automatisieren, Verbesserungen zu simulieren, den Energieverbrauch zu senken, den Abfall deutlich zu reduzieren, besser gemäß der Produktionsplanung zu arbeiten und somit effizienter zu sein“, sagt Jos Oud.

Nachhaltigkeit als zusätzlicher Gewinn

Die Vorteile des digitalen Zwillings beschränken sich nicht auf Qualität und Effizienz. Die virtuellen Modelle leisten auch einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Produktion:

  • Durch die Reduktion von Ausschuss werden weniger Aufwände für Recycling nötig
  • Der optimale Materialeinsatz erhöht die Energieeffizienz in der Fertigung und verbessert somit auch den CO₂-Fußabdruck.

Damit sind digitale Zwillinge nicht nur ein Instrument für mehr Wirtschaftlichkeit, sondern auch ein Schlüssel für eine verantwortungsvolle, zukunftsfähige Produktion. 

Roboterarm und digitaler Zwilling © Pipelife International

Für Johannes Rath, Chief Technology Officer bei wienerberger, liegt hier sogar das größte Potenzial: 

„Künstliche Intelligenz wird uns ganz gezielt dabei unterstützen, unseren Energieverbrauch und unsere CO2-Emissionen zu senken, damit wir unsere Nachhaltigkeitsziele erreichen.“

Johannes Rath

Johannes Rath

Chief Technology Officer

Daniel Hinterramskogler

Was wienerberger sonst noch in Sachen Industrie 4.0 unternimmt, lesen Sie hier.

Wie entsteht ein digitaler Zwilling?

1. Schritt – Data Collection:
Zuerst werden mit Sensoren alle produktionsrelevanten Echtzeitdaten erfasst: Temperatur, Materialfluss, Kühlwasser, Einstellungen von Maschinen. Diese Daten werden im MES (Manufacturing Execution System) gespeichert. Hier werden die Informationen laufend strukturiert, standardisiert und in unterschiedliche Kontexte gebracht.

Damit bietet das MES eine detaillierte Übersicht über den aktuellen Fertigungsprozess. Die Umsetzung ist eine Herausforderung: Tausende Datenpunkte müssen erfasst, ihre Qualität gesichert und Informationen aus unterschiedlichen Quellen sinnvoll zusammengeführt werden. Bislang wurde die Datenerfassung in Echtzeit in 50 Werken implementiert. 

2. Schritt – Value Generation: 
In der nächsten Phase werden die gesammelten Daten in der Cloud mithilfe von Data Science und KI-Modellen analysiert, um Simulationen durchzuführen und Prognosen zu erstellen.

3. Schritt – Real World Impact:
Das Ziel ist letztlich, auf Basis der Daten und Analysen einen Mehrwert in der Produktion zu schaffen – Stichwort Smart Factory. Das gelingt, indem die gewonnenen Erkenntnisse zurück in die Produktion fließen und dort automatisch die Prozesse optimieren, Störfälle vermeiden und die Effizienz steigern.

Prozessoptimierung durch Digitalisierung

Dieses Zusammenspiel aus Datenerfassung mittels IoT in der Produktion, Simulation und datengetriebener Produktion macht den digitalen Zwilling zu einem echten Gamechanger der Prozessoptimierung. 

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